Valentinssegen
Segensmomente am Valentinstag
Es ist ein besonderer Ort, an dem die hier geschilderte Segensfeier stattfand: die Galluskapelle bei Leutkirch an der A96. Als Autobahnkapelle wurde der moderne Rundbau im Jahr 2000 errichtet. Deren Standort auf dem Winterberg muss man sich erlaufen und wird dann mit dem Blick ins Weite belohnt. Der Innenraum ist schlicht. Während unten die Autobahn rauscht, steht der Ruheort auf dem Berg. Eine weitere Besonderheit ist die Trägerschaft durch einen ökumenischen Verein. Die Kapelle ist nicht an eine Kirchengemeinde gebunden, konfessionell offen und ermöglicht spirituelle Erfahrungen für Gäste und Durchreisende.
Ich setze die Beschreibung des Ortes an den Anfang dieser Segensfeier, weil für mich Segens-Orte von der Ästhetik des Raumes leben. Es ist bedeutsam, wie der Ort erreicht wird und auch wie die Ankommenden die Umgebung wahrnehmen. Auf jeden Fall lebt der Segensmoment vom Weg davor und danach. Die Nach- und Nebenwirkungen des Segens gehören ebenso zu ihm, wie der Augenblick der Zusage und der Moment des Unverfügbaren. Segen ist in diesem Format Teil einer Passage, ein Zuspruch im Vorbeigehen. Er ist aber zugleich Unterbrechung. Das entspricht der biblischen Tradition: Segen als Stärkung für den gemeinsamen Weg (grch. syn-hodos). Die Emmaus-Erzählung berichtet vom Weg, den zwei zu dritt gehen. Der dritte im Bunde ermutigt und inspiriert die beiden Jünger, nach der Unterbrechung weiterzugehen. Diesem Weg folgend ist die Segensfeier in drei Teile gegliedert.
Aufbrechen: Der Valentinstag erlebt in den letzten Jahren eine spirituelle Renaissance. Valentins-Gottesdienste geben dem Tag seine besondere spirituelle Note als Segens-Tag für Paare. Für diese Segensfeier wurde ein besonderes Format gewählt: ein Segen am Weg. Konkret: Paare haben sich entschieden, diesen Weg an diesem Tag zu gehen. Manche haben davon vormittags in der Zeitung gelesen; sie sind von den Eltern dazu aufgefordert worden, die am Sonntag in der Kirche davon gehört haben; auch über Social Media wurde eingeladen. Bei den kurzen, seelsorgerlichen Gesprächen wurde zudem von den Paar-Gesprächen davor, sozusagen von der Entscheidungsfindung berichtet. Denn vor dem Aufbrechen stand die Fragen nach dem „Ob“. Insofern eröffnet die Einladung bereits Beziehungsthemen. Dass der Weg zum Segensort als gemeinsamer Weg verstanden wurde, zeigen die kurzen Äußerungen: „Meinem Partner zuliebe“, „diese Zeit tut uns gut“, „wir brauchen eine Stärkung“.
Unterbrechen: Beim Ankommen auf dem Berg ging der Blick zunächst ins Weite. Als erstes wurde gemeinsam „durchgeschnauft“. Das Atemholen nach dem Aufstieg gehört zum Ankommen, ebenso das Sammeln und Fokussieren. Die Paare erreichten dazu die Kapelle über eine kleine Vorhalle; anschließend entdeckten sie auf dem Boden der Rundkirche einen großen, runden Spiegel. Darin spiegelten sich die Gesichter der Paare. Im Blick in den Spiegel wurde Verschiedenes möglich: Sich selbst sehen und auch den anderen sehen; außerdem sehen, was geworden ist. Wenn ich spüre, dass ich liebevoll angesehen werde, dann kann ich frei werden vom Druck, etwas beweisen zu müssen. Ein Segen kann schon in diesem Augenblick des Ansehens liegen.
Hinzu kam im Spiegel der Blick in den Himmel. Durch die Öffnung an der Kapellendecke strahlte das Blau des Himmels im Spiegel entgegen oder umstrahlte gar das Spiegelbild der Paar. Dieser heilige Moment, gerahmt von Musik und einem Segenszuspruch bildete den Kern des Segensmomentes. Davor, danach oder dazwischen waren Kurz-Gespräche möglich. Über die Dauer der Beziehungen, über das, was möglich war und was nicht gelingen konnte, oder genauso über das, was erhofft wird. All das war Teil des Augenblicks, dem die Zusage zugrunde lag: „Du bist ein Gott, der uns sieht.“ (nach Gen 16,13) Segen ist immer Beziehungsgeschehen. In diesem Segensmoment wurde diese Beziehung symbolisch im Spiegelbild sichtbar und mit dem Bibelwort gedeutet. „Ich will dich segnen. Ein Segen sollst du sein.“ (Gen 12,2)
Segensgebet:
Du, Gott im Himmel,
Danke für die Freude, die wir miteinander teilen,für den Mut, Gewohnheiten zu durchbrechen,
für die Geduld, auch Schweres miteinander auszuhalten.
Danke für das Heute, unser Sein und alles, was für uns möglich ist.
Vor Dich legen wir unser Sehnen nach Zukunft und Hoffnung.
Wir wünschen uns: …
Für das, was uns wichtig ist, bitten wir um Deinen Segen.
Dein Segen möge uns umarmen.
Das Segensgebet wurde nach einem Kurzgespräch für die Paare formuliert und individuell ergänzt („wir wünschen uns: …“). Die Paare waren dazu eingeladen, sich an den Händen zu halten und anzuschauen. Es folgte zum Abschluss der Segenszuspruch („Dafür segne Euch…“)
Es ist immer Gott, der segnet. Und dieser Segen bewirkt etwas. Menschen sollen im Ritual erfahren, dass sie von Gottes Nähe getragen sind und ermutigt weitergehen gehen können.
Weitergehen: Dieser Moment wurde von den Paaren gewählt. Manche blieben noch im Raum, und zündeten eine Kerze an. Andere machten sich auf den Rückweg oder verweilten im Gespräch. Für das Weitergehen konnten die Paare eine Segenskarte mitnehmen.
Das vorgestellte Modell lebt von der individuellen Begegnung zwischen Segnenden und Gästen. Es ist ein Augenblick, ein heiliger Moment an einem besonderen Ort. Ich glaube, wir brauchen mehr denn je diese besonderen Orte für die Begegnung mit dem Heiligen. Manche dieser Segens-Orte zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie außerhalb liegen und bewusst aufgesucht werden. Dafür entsteht im Sommer 2024 an der Autobahnkapelle das Projekt Segensmomente. Hierfür wird eine Segensinstallation aufgebaut, bei der per Touch kurze Segensimpulse für verschiedene Lebenssituationen gehört werden können. Der Standort Autobahnkapelle greift dabei Lebenssituationen auf, die im ausgelegten Fürbittbuch zu lesen sind: der Weg in den Urlaub, Abendspaziergang, Fahrt ins Krankenhaus, Besuch der Kapelle mit Familie und Enkeln. Die Segensimpulse werden im Rahmen des Projektes allgäusegen (allgaeusegen.de) von Menschen aus der Region eingesprochen. Die digitale Station ist mit dem Projekt Seelsorge am Weg verbunden. Ein Team von Seelsorgerinnen und Seelsorgern ist ab und an vor Ort und lädt zum Gespräch über Segensimpulse und Lebenssituationen ein.