Aufatmen
Atem hält alles zusammen.
Deshalb gibt es in vielen Sprachen ein Wort für Leben und Atem. Ruach, ein Wort wie ein Hauch, steht dafür im Hebräischen.
Orte zum Durchatmen gibt es im Allgäu genügend. Kapellen, Aussichtspunkte, Ruheplätze am Wasser.
Ich bin seit 38 Jahren Mensch.
Meine ersten Atemzüge waren viel zu früh. Fast erstickt. Hat aber geklappt. Seitdem läufts. Nebenbei, automatisch. Atmen funktioniert, einfach so.
Erste Atemzüge hab ich viermal erlebt. Heilige Momente.
Von letzten Atemzügen hab ich von Berufs wegen oft gehört. Auch heilige Momente.
Ich frag mich, woher die Energie kommt, die atmen möglich macht. Biologische Vorgänge, sagen die einen. Es erklärt manches, aber nicht alles. Ich frag mich, warum es bei manchen bis ins hohe Alter geht, bei anderen der Atem aufhört, auch einfach so. Dann zweifel ich. Warum? Ist eine Frage, die mir die Luft zum Atmen nimmt. Deshalb stelle ich sie nicht zu oft. Lieber frage ich nach dem Wie und Was.
Ich mag die Luft im Wald und den Geruch von Zirbenholz. Große, alte Kirchen und ihre kühle Luft lieb ich im Sommer. Wer in diesen Gemäuern schon alles geatmet hat, stell ich mir dann vor. Mancher Atem wird auch Gebet gewesen sein.
Wenn ich mit dem Auto in einen Tunnel fahre, halte ich die Luft an. Ich mag nicht, wenn es eng wird.
Aber an Weihnachten hab ich das Gefühl, dass die Welt einmal tief durchschnauft, dass etwas Kleines groß wird; Enges weit. Wenn es ruhig wird in der Christmette, Stille Nacht erklingt. In diesen Augenblicken kann ich baden.
Meistens wird ja nicht zu wenig, sondern eher zu schnell geatmet.
Mal die Luft anhalten, mal nicht gleich zurückschießen, sieben Mal atmen und erst dann antworten – dann würde sich manches in Luft auflösen. Einatmen – ausatmen. Manchmal ist es eine Lösung, weil sich damit etwas löst.
Und ein Gebet ist es auch.